Johannes Scottus Eriugena

Johannes, der Skote, der in Irland Geborene


Ériu ist eine Gestalt der keltischen Mythologie und altirischer Name Irlands (irisch: Éire).

 

Geboren um 810 in Irland zwangen ihn die Wikingereinfälle seit 795 wie viele andere zur Flucht. Viele irische Mönche suchten Rettung in Westfranken und waren aus der Not heraus gezwungen, sich als Gelehrte zu betätigen. Einer von ihnen war Johannes Scottus Eriugena.

 

Ab 845 wirkte er am Hof König Karls des Kahlen, einem Enkel Karls des Großen als Leiter der Hofschule und erteilte Unterricht in den freien Künsten. Da er Griechisch beherrschte, übersetzte er wichtige Beiträge aus der Zeit der griechischen Kirchenväter und stärkte so den Neuplatonismus. Er konnte ca. 20 Jahre am Hofe arbeiten und erst 877 nach dem Tode Karls verließ er Westfranken möglicherweise in Richtung des britischen Klosters Malmesbury in der Nähe von Bristol, wo er von Studenten ermordet worden sein soll.

 

Sein Kommentar zu Martianus Capella

 

Sein Unterricht über die freien Künste basierte auf dem Handbuch, „Die Hochzeit der Philologie mit Merkur“ des röm. Gelehrten Martianus Capella. Er bemühte er sich um einen guten Text und schrieb selbst einen Kommentar dazu. Die Philologie ist bei Martianus eine sterbliche Jungfrau, die durch ihre Heirat mit Gott Merkur unter die Götter aufgenommen und damit unsterblich wird. In seinem Kommentar interpretiert er diese Hochzeit als Möglichkeit der Vergöttlichung des Menschen durch Beseitigung seiner Unwissenheit. Der Mensch könne durch das Studium der Freien Künste Zugang zur Erkenntnis erlangen. Durch das Verständnis der Ordnung des Kosmos gelange man zur Einsicht, dass Gott der Ursprung und daher die Rückkehr zu Gott das Ziel sei. So könne der Philosoph weise werden und Heil erlangen. Dabei nimmt die Logik als „Mutter der Künste“ eine hervorgehobene Stellung ein.

 

Prädestination

 

Im Prädestinationsstreit um 850 vertrat Gottschalk von Orbais die These, Gott habe den Menschen für Himmel oder Hölle vorherbestimmt. Diese Meinung kollidierte aber mit der kirchlichen Lehre vom freien Willen, wonach Gott das Schicksal zwar bekannt sei, das Schicksal aber vom des freien Willen und den damit verbundenen Entscheidungen abhänge. Gottschalk wurde als Häretiker verurteilt und verhaftet. Erzbischof Hinkmar von Reims benötigte eine theologische Begründung und beauftragte J. mit einem Gutachten. („Über die göttliche Vorherbestimmung“) Darin kam J. zum Ergebnis, dass Gottschalks Standpunkt häretisch sei, begnügte sich aber nicht mit Argumenten zur Widerlegung, sondern provozierte selbst. Er deutete den Sündenfall, das Jüngste Gericht und die Bestrafung von Übeltätern in der Hölle nicht als objektive Dinge, sondern als subjektive Erlebnisse. Die Vorherbestimmung zur Verdammnis sei mit der Einfachheit Gottes unvereinbar. Gott könne kein Übel wollen, es nicht einmal kennen, denn Gott sei Existenz, das Übel aber Nichtseiendes, das mangels Existenz für Gott nicht in Betracht komme. Diese Thesen führten zu Widerspruch, sein Freund, der Erzbischof distanzierte sich und die Synoden von Valence (855) und Langres (859) verurteilten einige Thesen. Karl der Kahle aber stützte ihn.

 

Schriften

 

Karl der Kahle beauftragte ihn, die lat. Schrift des Pseudo-Dionysius Areopagita zu überarbeiten, den man für einen direkten Schüler des Apostels Paulus hielt. Karl der Kahle bekam die Schrift von Ludwig dem Frommen, seinem Vater und dieser erhielt sie vom byzantinischen Kaiser Michael, der wenige Jahre zuvor das Karolingerreich im Gegenzug für die Rückgabe eroberter Gebiete anerkannte. Diese Version blieb bis in das 12 Jh hinein die einzige im Abendland.

 

Im Rahmen der Übersetzung stieß J. auf Schriften von Maximus Confessor und übersetzte dessen griechische Hauptwerke, die "Quaestionnes ad Thalassium" und die "Ambigua ad Johannem". Auch übersetzte er eine Schrift des griechischen Kirchenvaters Gregor von Nyssa (De imagine/„Über das Abbild“), legte den Prolog des Johannesevangeliums aus und schrieb einen Kommentar zu diesem Evangelium.

 

Vermutlich verfasste er ebenso einen Kommentar zu den ersten 16 Büchern der Institutiones grammaticae des Grammatikers Priscian, sicher verfasste er lat. und einige griechische Gedichte. Das längste und bekannteste „Aulae sidereae“ besteht aus 101 Hexametern.

 

Aus der Annahme der Selbstoffenbarung Gottes zieht er Konsequenzen für die Ethik. Er verstand die Selbstoffenbarung Gottes als Aufforderung, die Lebensführung so zu gestalten, dass sich die wahrgenommene Vollkommenheit auch in einem selbst zeigen kann. Im Erkennen wird der Erkennende zu dem, was er erkennt; so wird der Mensch vergöttlicht und gelangt zur Gotteserkenntnis. Dieser Gedanke des Einswerdens mit Gott taucht im Abendland erst mit J. und seiner Übersetzung auf.

 

In seinem Hauptwerk "Periphyseon"/De divisione naturae/„Über Naturen“ versteht er unter Natur nicht nur die Schöpfung, sondern die gesamte Wirklichkeit, also auch Gott. Das Thema dieses Dialogs ist die Weltordnung und das Verhältnis zwischen Schöpfer und Schöpfung. J. versucht, vom Wortlaut einer biblischen Aussage zu deren allgemeingültigem Gehalt vorzudringen und führt anschließend die Kirchenväter an, um seine Übereinstimmung mit ihren Lehren zu zeigen. Als Ausgangspunkt wählt er die ersten 3 Kap. der Genesis als Grundlage für alle vier menschl. Befindlichkeiten. Der Mensch im Paradies, den Gott kennt und liebt. Es folgt der Sündenfall als Verzicht des Menschen auf die angebotene Gotteskenntnis. Die Vertreibung aus dem Paradies interpretierte er als Beschränkung der Erkenntnis auf weltliche Dinge. Die herausgelesene Verheißung der Erlösung verstand er als Ankündigung der Wiedererlangung der Gotteskenntnis als Heil. Diese Phasen sind ihm Rahmen für Theologie, Kosmologie und Anthropologie. Hier zeigen sich seine Überzeugungen und sein Menschenbild, seine Nähe zum Neuplatonismus und zur Denkweise der griechischen Kirchenväter. In kontroversen Fragen gibt er der griechischen Tradition gegenüber der Autorität des Augustinus den Vorzug, u.a. bei seiner Betonung der Einheit Gottes. So ist er im Streit um das Filioque auf Seite der Kirchenväter gegen die Meinung der fränkischen Theologen und postulierte, der Heilige Geist gehe nur vom Vater aus, nicht auch vom Sohn. Er identifiziert die aktive und die passive Rolle eines Vorgangs (erschaffend/erschaffen) und das Prinzip „etwas Bestimmtes sein“/„etwas Bestimmtes nicht sein“. Aus den Möglichkeiten zur Kombination ergeben sich vier Prinzipien: Die schaffende und selbst unerschaffene Natur (Gott als Ursache von allem), die schaffende und erschaffene Natur(Ursachen, aus denen Objekte der Welt hervorgehen, also die ihnen zugrunde liegenden von Gott stammenden Ideen), die erschaffene und nicht erschaffende Natur (Unter Bedingungen von Zeit und Raum entstehenden Dinge, die nur durch Teilhabe an ihren Ursachen existieren) und die weder schaffende noch erschaffene Natur. (Gott als Ziel der Heilsgeschichte, der alles in höchster Vollendung in sich enthält.) Um 1125/1130 stellte Honorius Augustodunensis einen Auszug aus Periphyseon zusammen mit dem Titel Clavis physicae gab. Im Spätmittelalter wurde ihm die sog. amalrikanische Häresie angelastet, vor allem durch Odo von Châteauroux, der seine Lehren verbannen wollte. Schon 1223/1224 war Periphyseon in Frankreich auf einer Synode in Sens verurteilt worden. 1225 hatte Papst Honorius III. in Briefen an frz. und engl. Bischöfe die Verbrennung des Werks angeordnet, da der Inhalt glaubenswidrig sei.

 

Zu seinen Lebzeiten war er kaum angreifbar. Er beriet Kaiser Karl und lehrte an den Palastschulen in Reims und Laon mit vielen anderen Iren zusammen, so auch Martin, Bischof Dunchard und Bischof Elias.

 

Über die im Spätmittelalter aber populäre Clavis physicae gelangten seine Gedanken auf indirektem Weg zu Meister Eckhart. Beliebt war auch sein Kommentar über den Johannes-Prolog sowie seine Übersetzung des Pseudo-Dionysius.

 

Auch Nikolaus von Kues kannte nicht nur die Clavis physicae, sondern auch Periphyseon, war aber der Meinung, beide Schriften sollten nur verständigen Lesern vorbehalten bleiben. Die erste Ausgabe von Periphyseon erschien erst 1681 und wurde 1684 bis ins 20 Jh. von der katholischen Kirche auf den Index gesetzt.

 

Dies verhinderte aber nicht, dass nicht wenige  ihn für den originellsten westlichen Denker zwischen Spätantike und Anselm von Canterbury halten.  So wird er zum Seelenführer über die Jahrhunderte.