Johannes Duns Scotus



um 1266 in Duns in Schottland, nahe Berwick-upon-Tweed, geboren ist er ca. 1280 dem Franziskanerorden beigetreten, hat einige Jahre Philosophie studiert und von 1288 bis 1293 in Oxford Theologie. Am 17.03.1291 wurde er im Franziskaner-Kloster Saint Andrews in Northampton ordiniert. Er studierte und lehrte in Cambridge, Oxford, Paris und Köln, begründete die scholastische Richtung des Scotismus und verband darin u. a. Lehren des Aristoteles, des Augustinus und der Franziskaner.

 

Ca. 1299 verfasste er in Oxford einen Kommentar zu den Sentenzen von Petrus Lombardus, die Lectura, sowie Aristoteles-Kommentare. Bis 1300 noch in Oxford lehrte er 1302 über die Sentenzen in Paris. Hierzu existieren Mitschriften. 1303 musste er Paris verlassen, weil er sich als Mönch auf die Seite des Papstes Bonifatius VIII. stellte, indem er die vom frz. König Philipp IV. geforderte Unterschrift verweigerte. Der König verlangte Unterschriften für einen Appell an ein Konzil, weil er den Klerus besteuern wollte.

 

1304 kehrte er nach Paris zurück, wo er 1305 promovierte und am 17. 11. 1305 zum Magister und 1307 zum Lehrstuhlinhaber der Theologischen Fakultät der Franziskaner ernannt wurde.

Aus dieser Zeit stammen Disputationen sowie die dritte Fassung der Sentenzenkommentare, die Ordinatio. Dieses Hauptwerk liegt als Abschrift vor, die in Assisi gefunden wurde.

 

1307 wechselte er als Lektor an die franziskanische Ordensschule nach Köln, wo er am 8. November 1308 vermutlich an der Pest starb. Beigesetzt wurde er in der Minoritenkirche in Köln. Am 6. Juli 1991 wurde er seliggesprochen.

 

Er hinterließ viele Manuskripte. Bedeutung hatte die Ausgabe seiner Werke von Lucas Wadding (Lyon 1639). Seit 1997 gibt das Bonaventura-Institut der Franziskaner in New York seine Schriften heraus.

 

Lehre

Er gilt als einer der ersten Vertreter der Spätscholastik, in der sich Philosophie und Theologie schrittweise trennten, wozu er maßgeblich Anstoß gab.

 

Im 13. JH dominierte die Rezeption des Aristoteles im Zeichen der Dominikaner Albertus Magnus und Thomas von Aquin. Thomas hatte dessen Philosophie mit der Theologie harmonisch verbunden.  Doch Denker wie Boetius von Dacien oder Siger von Brabant betrachteten ausgehend von Aristoteles und Averroës die Philosophie unabhängig von der Theologie, auch wenn sie durchaus der Bibel noch den Vorrang gaben. Und es gab konservative wie Heinrich von Gent, die Augustiner oder den Franziskaner Bonaventura, die die Lehren des Augustinus bewahren wollten.

 

1277 verbot der Pariser Bischof Tempier 219 Thesen, darunter auch einige Sätze des Thomas von Aquin. Das drängte den aristotelischen Averroismus zurück und einige Denker suchten neue Ansätze, darunter Meister Eckart und Duns Scotus.

 

Dieser kannte Aristoteles gut und bezog sich auf ihn. In der augustinisch-neuplatonischen franziskanischen Tradition stehend, setzte er sich aber kritisch mit dessen Lehre auseinander, brach aber auch mit der auf Augustinus zurückgehenden Lehre Bonaventuras, dass eine Erkenntnis der Wirklichkeit nicht ohne Erleuchtung durch Gott möglich sei.

 

Anders als Thomas lehrte Scotus eine klare Unterscheidung. Von der Philosophie angenommene Wahrheiten können demnach in der Theologie falsch sein. Philosophie hat Grenzen, die Gottes Offenbarung überschreitet. Gegenstand der Metaphysik kann deshalb nicht Gott sein, sondern nur das Seiende.

 

Weiterhin ordnete Scotus den Willen nicht wie Thomas dem Verstand nach, sondern war der Auffassung, dass der Verstand dem Willen dient. Philosophie führt zu Neutralität und Skepsis und ist daher für das praktische Leben nicht geeignet. Theologie hingegen ist praktische Wissenschaft, die sich an Gottes Liebe und Willen orientiert und dem Menschen hilft, seinen Weg zu finden.

 

Erkenntnistheorie

Erkenntnis beginnt nach Duns Scotus, wie bei Aristoteles und Thomas, mit der sinnlichen Wahrnehmung der Gegenstände. Für Scotus war aber auch der immaterielle Verstand (intellectus) eine Ursache der Erkenntnis. Der Mensch erkennt nach Scotus nicht nur den Gegenstand als solchen, sondern erfasst auch das, was darin wesenhaft enthalten ist.

 

Der Verstand sucht nach den über Materie und Form, Akt und Potenz hinausgehendem Prinzip. Eine Reduktion auf das Materielle ist nicht möglich. Er unterschied zwei Erkenntnisweisen:

 

Die abstraktive Erkenntnis als Prozess, in dem aus dem wahrgenommenen Gegenstand ein Begriff des Gegenstandes im Intellekt entsteht, und die intuitive Erkenntnis, die durch gesamtheitliche Erfassung eines Sachverhaltes über das rein Sagbare hinausgeht. Letztere ähnelt der Wesensschau, wie sie später von Husserl in der Phänomenologie entwickelt wurde und in Heideggers Begriff des „In-der-Welt-Seins“ wiederkehrt.

 

Abstraktive Erkenntnis

 

Ein Gegenstand wirkt auf die Sinne, so dass im Verstand ein Bild erzeugt wird. Durch den Verstand wird das Universelle im Abbild bestimmt, d.h. das im Bild enthaltene Allgemeine wird von den materiellen Bedingungen des individuellen Gegenstandes abstrahiert.

 

Es entsteht die Erkenntnis, die sog. „species intelligibilis“, die begriffliche Beschreibung eines Gegenstandes einschließlich seiner Bedeutung.

 

Blume – Körperlichkeit – Duft – Blüte/Frühlingsbote/Liebesgruß.

 

Die Erkenntnis ist erst abgeschlossen, wenn die species intelligibilis vom passiven Verstand (intellectus possibilis) aufgenommen und im Gedächtnisvermögen verankert ist. Erst durch die Verinnerlichung wird ein Gegenstand für den Verstand begreifbar (intelligibel) und kann als Möglichkeit aufleuchten, also wieder in das Bewusstsein gerufen werden.

 

So sind zwei Funktionen des Verstandes wirksam.

 

Intuitive Erkenntnis

 

Das Individuelle ist nicht definierbar und nicht beweisbar. Jeder Begriff über einen Gegenstand ist immer auch auf andere anwendbar. Das besondere Wesen eines Gegenstandes erkennt man nur durch eigene Anschauung und nicht durch Beschreibung Dritter.

 

Intuitive Erkenntnis ist vor allem eine auf der Gefühlsebene angesiedelte Grundlage zum Erkennen der Einzigartigkeiten, die im Individuum jeweils als zufällige Eigenschaften angeordnet sind, ein Vorgang der Anschauung, die die sinnliche Präsenz des Wahrgenommenen enthält aber auch das „hier und jetzt“ eines Gegenstandes im Verstand widerspiegelt. Erst diese Erkenntnis ermöglicht Reflexion und Selbsterkenntnis.

 

Intuitive Erkenntnis erfasst die Seinsweise des Objektes: Der Baum ist z. B. nie identisch mit diesem Baum.

 

Wissen

 

Scotus bestimmte Wissen wie Aristoteles als eine Haltung der Vernunft zu einem Sachverhalt. Die Schlussweise erfolgt deduktiv oder induktiv.

 

Deduktive Schlüsse erklären das „Warum“ eines Sachverhaltes, wenn die Ursachen bekannt sind. Aussagen gehen dann auf wenige erste wahre Sätze zurück. (Mathematik oder Logik). Die Wissenschaft schlechthin.

 

Wenn nur die Wirkungen von Sachverhalten bekannt sind, ist nur ein induktiver Schluss auf das „Dass“ einer Sache möglich. Da die sinnliche Erfahrung begrenzt ist, kann der Mensch deduktiv keine Erkenntnisse erlangen. Seine Schlüsse sind induktiv gewonnen. Die Wissenschaft hängt also vom Subjekt ab. (Lehre durch uns).

 

Dies stand im Gegensatz zu Heinrich von Gents Lehre über die göttliche Erleuchtung (Illuminationslehre). Glaube war für Scotus aber nicht beweisbar, sondern nur auf die Offenbarung oder die Annahme der Bibellehre der Kirche zurückzuführen.

 

Metaphysik

Aristoteles hat gefragt: Was geht aller Erkenntnis – als Erstes –voraus. Was ist jenseits aller Physik gültig? In der Aristoteles-Interpretation von Averroes war Metaphysik Theologie über das erste göttliche Seiende: Gott als Erkenntnisobjekt. Offenbarung wäre dann überflüssig. Dies hatte bereits Thomas kritisiert.

 

Scotus fragt nicht nur, was die erste Ursache ist, sondern auch, was die Grenzen des Erkennbaren sind. Er wollte zeigen, dass der Mensch zwar erkennen kann, dass es Gott gibt, aber nichts über das Sein Gottes auszusagen vermag. Hierzu brauche er die Offenbarung.

 

Als höchsten Sachverhalt bezeichnete er Gegenstände, die über die Wissenschaft hinausgehen. So bekam die Transzendenz eine erkenntnistheoretische Bedeutung. Sie ist nach Scotus Gegenstand der Metaphysik.

 

Das höchste Seiende

Das höchste abstrakt Erkennbare war für Scotus das Seiende, das allen Dingen zukommt.

Menschliche Erkenntnis hängt stets vom Subjekt ab, das Seiende / Transzendentale ist in sich widerspruchsfrei und beinhaltet die Möglichkeit zu sein. Und es kann es nur geben, weil es Gottes Willen als Erstursache gibt.

 

Er wandte sich gegen den Seinsbegriffs bei Thomas, in der Gott als Schöpfer oder Allmächtiger beschrieben wird. Solche Begriffe sind nach Scotus nur Metaphern und unterliegen nicht der begrifflichen Erkenntnis.

 

Natürliche Theologie

Kann Mensch die Existenz Gottes aus der Vernunft ohne Offenbarung begründen?

Da Gott Seiendes ist, kann er nach Scotus im Wege der Erkenntnis nicht erfasst werden und daher auch nicht Gegenstand der Metaphysik sein. Dennoch war für Scotus ein Nachweis Gottes durch induktiven Schluss durch ein Argument von der Wirkung auf die Ursache möglich.

 

Ein Begriff Gottes muss daher die Unbegrenztheit Gottes ausdrücken. Eindeutige Begriffe können ihn nicht beschreiben, sie würden ihn zu einem eingeschränkten Seienden machen. Die Begriffe, die die Unbegrenztheit aussagen, beweisen seine Existenz , ohne etwas über sein Wesen auszusagen.

 

Gott ist unbegrenzt, auch in seiner Erkenntnisfähigkeit und seinem Willen. Daher kann es Dinge geben, die er zwar erkannte, aber während der Schöpfung in gewisser Weise nicht wollte. Entsprechend ist die Schöpfung als Ergebnis von Gottes Willen nicht notwendig, sondern eine mögliche Wirklichkeit – ein Gedanke, der von Leibniz bis in die Philosophie der Gegenwart reicht.

 

Universalien, Artnatur und Individuum

Thomas lehrte mit Aristoteles, dass das Individuelle sich aus einer spezifischen Materie ergibt als Spezialfall des Allgemeinen. Scotus wandte ein, dass Begriffe jeweils nur etwas Allgemeines bezeichnen. Das spezifische könne durch einen Begriff nicht erfasst werden.

Er glaubte, dass es Universalien gibt und war damit Universalienrealist wie Aristoteles und Thomas.

Materie kann nicht Ursache des Individuellen sein. Das Individuelle ist etwas Eigenständiges in der Natur.

Er unterschiedet den individuellen Menschen und das Menschsein (die Artnatur.) Das Menschsein gehört zu jedem Menschen. Die Wahrnehmung richtet sich auf das Individuum. Dieses enthält bereits die Artnatur (natura communis) als reales Fundament der Abstraktion von Allgemeinbegriffen (fundamentum in re).

Erst im Intellekt wird das Menschsein durch Reflexion zu Universalien umgewandelt, indem das Allgemeine aus mehreren Akten der Sinneswahrnehmung gebildet wird. Der Übergang von der Empfindung zur Erkenntnis findet dadurch statt, dass der Intellekt die Wahrheit des Verhältnisses zweier Individuen erfasst, die beide vereint.

 

Das Menschsein ist von Gott geschaffen. Das Individuum kann nur durch die Anschauung in der intuitiven Erkenntnis erfasst werden. Universalien sind Reflexionen über das Menschsein und damit Realitäten ohne körperliche Existenz.

 

Scotus stellte sich gegen den reinen Nominalismus, dass alle Begriffe Namen für Gegenstände und Eigenschaften sind und vor allem gegen die Auffassung, dass es keine andere denkbare Einheit als den einzelnen Gegenstand und keine anderen Unterschiede als einen numerischen Unterschied gebe. Dies widerstrebt seiner Auffassung über die intuitive Erkenntnis und sein Verständnis über das Menschsein.

Seine Hauptthesen lauten:

 

Nur durch die Artnatur (Menschein, hier Schwansein) sind zwei weiße Schwäne ebenso zwei Schwäne wie ein weißer und ein schwarzer Schwan?

Wenn alle Gegenstände numerisch unterscheidbar wären, hätten diese teil an dem Phänomen der Unterscheidbarkeit. Das Phänomen der Teilhabe aller Elemente ist aber ein Widerspruch zur numerischen Unterscheidbarkeit.

Das Einzelne ist unsagbar (individuum ineffabile), weil jeder Begriff bereits Allgemeinheit umfasst. Das Einzelne ist sogar stumm, weil der Begriff nicht real aus sich entsteht, sondern im Intellekt. Gegenstände sind, was sie sind, – ohne logos.

Wenn alles nur numerisch unterschieden wäre, könnte man keine realen Ähnlichkeiten oder Gegensätze zwischen den Einzeldingen feststellen.

 

Leib und Seele

Aristoteles: Materie ist die Grundlage des sinnlich wahrnehmbaren Seins. Aus Materie entsteht individuelle Substanz. Diese ist vergänglich und kann sich verändern. Individuelle Substanz ergibt sich aus ihrer Form. Ausgehend davon entwickelte Scotus zur Bestimmung der Seele einen eigenen Begriff von Materie und Form. Seine Hauptaussagen waren:

 

Es gibt Materie ohne Form, die erste Materie (prima materia). Bereits Aristoteles denkt an ein unbestimmtes Ausgangsmaterial, hält aber dessen Existenz für unmöglich. Auch Thomas sah das dies nur als Möglichkeit. Scotus hielt Materie ohne Form für den Ausgangspunkt aller Veränderung von Substanz.

 

Nicht alles Geschaffene besteht aus Materie und Form. Nach Scotus können Engel auch ohne Materie existieren.

 

Nach Scotus sind Körper und Seele eigene Substanz mit eigener Form. Die Seele belebt den Körper und verlässt ihn im Tod als etwas Selbständiges. Die Frage der Unsterblichkeit der Seele entziehe sich aber der menschlichen Erkenntnis, hier sei man auf den Glauben angewiesen. Mit dieser Lehre hat er einen Schritt zur Trennung von philosophischer Erkenntnis und theologischem Glauben getan.

 

Ethik

Der freie Wille

 Für Thomas ist in Anlehnung an Aristoteles der Wille das intellektuelle Streben nach der Vervollkommnung der menschlichen Natur. Scotus entwickelte eine abweichende Vorstellung eines vom Intellekt unabhängigen Willens. Er lehrte zwei Teilursachen für menschliches Handeln, den Intellekt und den Willen.

 

Dass freie Wille sei keine Wahrheit, sondern Erfahrung. Der Willensakt ist damit nicht notwendig, sondern möglich. (kontingent).

 

Bezüglich des Willens unterschied er eine Neigung zur Gerechtigkeit bzw. eine Neigung zum Angenehmen und folgt damit Anselm von Canterbury.

 

Daraus folgt die Vorstellung des freien Willens, denn das Angenehme und die Gerechtigkeit können unterschiedliches Handeln fordern, so dass der Mensch sich entscheiden muss.

 

Ein unfreier Wille würde nur nach dem Angenehmen streben. Die Neigung zum Angenehmen strebt nach dem höchsten Glück, Die Neigung zur Gerechtigkeit strebt nach dem absoluten Guten.

 

Da das höchste Glück nur ein irdischer Maßstab ist, ist die Neigung zur Gerechtigkeit höherwertig. Wer nur der Neigung zum Angenehmen folgt und die Neigung zur Gerechtigkeit nicht sieht, sündigt. Es ist daher Aufgabe des freien Willens, mit Hilfe der Vernunft, die Widersprüche beider Neigungen zu erkennen und die Neigung zum Angenehmen zu zügeln. Nur Handlungen aus Neigungen zur Gerechtigkeit, zum unendlich Guten, und damit zu Gott können verdienstvoll sein.

 

Rationalität

Der Wille allein ist blind. Es braucht die Vernunft. Der Wille richtet sich auf einen Gegenstand, zur Erkenntnis braucht es den Intellekt. Der Intellekt ist passiv und kann dem Willen nichts vorschreiben. Der Wille ist aktiv und fällt seine Entscheidung unabhängig vom Intellekt. Ursache des Handelns ist demnach der Wille. Damit liegt die Verantwortung für das Handeln allein beim Menschen.

 

Das höchste Gute

Für Scotus ist die Gottesliebe Grundlage der Moral. Welche Handlungen daraus folgen, muss mit Hilfe der Vernunft festgestellt werden. Die Rationalität beschreibt das moralisch Gute und der freie Wille muss das moralisch richtig Erkannte ausführen.

 Als uneingeschränkt gültige moralische Aussagen betrachtete Scotus Sätze, deren Wahrheit nicht von einem göttlichen Willen abhängen, z.B. die ersten drei Gebote. Sie beziehen sich auf Gott selbst (natürliches Recht ). Wenn Gott existiert, muss der Mensch Gott lieben, darf keinem anderen Ehre erweisen und Gott nicht leugnen.

Die übrigen Gebote betreffen das Verhältnis der Menschen untereinander und sind eine Festlegung nach Gottes Willen, hätten also auch anders lauten können. Gerade weil der Mensch mit Vernunft ausgestattet ist, kann er die richtigen moralischen Werte erkennen.

 

Tugend und moralische Klugheit

Bei Aristoteles und Thomas war Tugend Voraussetzung zur Erreichung höchsten Glücks.

Für Scotus haben Tugenden nur eine unterstützende Funktion. Entscheidungen sind auch ohne Tugend möglich. Auch ein böser Mensch kann sich im Einzelfall für das Gute entscheiden. Tugenden sind wichtig, begründen aber moralische Werte nicht.

Moralische Weisheit ist vor allem rationale Abwägung, also hat neben der Gerechtigkeit, Tapferkeit und Besonnenheit vor allem die Klugheit als Fähigkeit des Intellektes, die für eine Handlung richtige und angemessene Form zu beurteilen, eine hohe Bedeutung.

 

Sie ist auch wichtig bei Wertkonflikten. Beispiel: Wahrheit:

 

Ehrlichkeit wird im Wege der abstraktiven Erkenntnis zu einem moralischen Gebot. Aber wie schonungslos informiert der Arzt einen Todkranken über seine Krankheit?

 

Scotus unterschied das positive Wollen, die Ablehnung und die Unterlassung. Bezogen auf die Ehrlichkeit: Wahrheit sagen, lügen oder schweigen.

 

Die Klugheit gebietet die Handlung aufgrund von Erfahrung und der gegebenen Umstände.

 

Glaube

Scotus beschäftigte sich mit dem Unterschied zwischen offenbartem und erworbenem Glauben. Da Gottes Wille nicht durch Vernunft erkannt werden kann, müssen die Texte der Bibel und die Lehraussagen der Kirche angenommen werden. Erworbener Glaube entsteht demnach durch die Auseinandersetzung mit diesen Quellen. Die Glaubwürdigkeit der Kirche als Zeuge dieser Wahrheiten ergibt sich aus ihrer stabilitas (Beständigkeit, Festigkeit). Erworbener Glaube unterscheidet sich nach Scotus vom „Meinen“ durch „Gewissheit“, d. h. durch fehlenden Zweifel.

 

Nach Scotus gibt es einen offenbarten Glauben (fides infusa) wobei aber der erworbene ausreicht, um die göttliche Wahrheit zu erfassen. Der offenbarte Glaube ist eine Ergänzung, die die Seele vervollkommnet und den Glauben verstärkt.

Glaubensirrtümer kann es bei beiden Formen geben, wenn sich das Glaubensobjekt als falsch darstellt. Die Wahrheit des Objektes besteht unabhängig von der angeeigneten Gewohnheit des Glaubens. Der Wille verändert nichts am Inhalt des Glaubens, kann aber als Quelle der Sünde verhindern, dass der Mensch nach seinem Glauben handelt.

 

Prädestination(Vorherbestimmung)

Gottes Sohn wäre nach Scotus auch dann Mensch geworden, wenn Adam nicht gesündigt hätte. Gott will, dass der Mensch ihn liebt. Das ist der Grund für die Inkarnation. Wäre die Prädestination Christi abhängig von der Sünde Adams, hätte sich Gott abhängig vom Handeln Adams gemacht. Dies widerspricht aber der absoluten Willensfreiheit Gottes. Er steht mit dieser Auffassung im Gegensatz zu Thomas, Bonaventura und vielen späteren Theologen.

 

Taufe

Scotus liefert Eine der ersten Definitionen für dieses Sakrament

Taufe = sinnlich wahrnehmbarer Ritus, von Christus eingesetzt, um die von ihm verdienten Heilsgnaden zu bezeichnen, zu erhalten und den Menschen durch Menschen im Pilgerstand, im Vollzug des Sakraments durch Spender und Empfänger zu vermitteln. Nach Thomas vermittelt die Handlung ursächlich die Gnade Gottes. Nach Scotus ist diese Handlung nur Anlass dafür, dass Gott seine Gnade mitteilt.

 

Die Unverfügbarkeit Gottes

Die Gnade Gottes ist unabhängig vom menschlichen Willen. Der Mensch kann sich die Gnade Gottes nicht verdienen. Aber Gott schenkt denen, die ihn gnädig annehmen, das ewige Leben.

 

Nach Petrus Lombardus ist der durch die Taufe im Menschen wohnende Heilige Geist die Ursache der Gnade. Thomas betrachtete die Gnade als eine der Seele innewohnende Qualität. Scotus setzte nun diese Qualität mit der Fähigkeit des Menschen zur Caritas, der Liebe als dem höchsten Guten gleich. Das Verdienst der Vernunft liegt in der Übereinstimmung von göttlichem und menschlichem Willen. Die Fähigkeit zur Caritas entspringt der Gnade Gottes. Der Mensch kann diese Gnade nicht durch Handeln erwerben. Er kann aber die Caritas wie eine Tugend durch Einübung zur erworbenen Geneigtheit machen. Wenn der Mensch sich entsprechend verhält, wird er gemäß der Offenbarung von Gott akzeptiert. Dies ist so, weil Gott die Bedingungen der Welt genauso geschaffen hat wie sie sind, auch wenn er sie anders hätte erschaffen können. Diese Akzeptationslehre führte in der Rezeption dazu, Scotus habe gelehrt, der Mensch könne durch sein Verhalten Einfluss auf Gott nehmen und könne von sich aus ohne Sünde sein. Nach Scotus war Gott aber nicht für Menschen verfügbar.

 

Eine weitergehende Beschäftigung mit seinem Gedankengut zur Metaphysik findet man vor allem in seiner Abhandlung über das erste Prinzip.