Exkurs: Apostelkonvent

Seitens einiger Judenchristen aus Jerusalem kam es zur Forderung an die Gemeinde in Antiochien, dass Heidenchristen beschnitten werden müssen.

Über diesen Streit werden Paulus und Barnabas von Antiochien aus nach Jerusalem geschickt, um zu vermitteln. Paulus selbst sah die Wahrheit des Evangeliums und die Freiheit des Glaubens in Gefahr. So kommt es zu einem Treffen in Jerusalem.  Auf diesem Apostelkonvent wohl im Jahr 48 postulierte Petrus, dass das Christentum nicht seine jüdischen Wurzeln leugnen dürfe, während der Herrenbruder Jakobus als Leiter der Urgemeinde eher eine vermittelnde Position einnahm.

Jedenfalls wird Paulus die Möglichkeit zu Missionsreisen zu nichtjüdischen Menschen gewährt. Er brachte die junge Kirche so dazu, geistige und räumliche Grenzen zu überwinden.

Vielleicht gab es beiderseits die Erkenntnis, dass Gottes Gnade Paulus ebenso zur Heidenmission berief wie Petrus zum Aposteldienst unter den Juden. Es muss aber auch angenommen werden, dass Paulus der Jerusalemer Gemeinde eine Kollekte aus den heidenchristlichen Gemeinden versprach, um so die Zusammengehörigkeit zu besiegeln.

 

Jedenfalls ist anzunehmen, dass die Auffassung des Paulus, das Beschneiden sei für das Christsein nicht erforderlich, von der Jerusalemer Gemeinde zu diesem Zeitpunkt akzeptiert wurde.

 

Vieles spricht dafür, dass nach diesem Apostelkonvent die erste Missionsreise mit Barnabas nach Zypern (Heimat des Barnabas) und ins südliche Kleinasien (Apg 13; 14) stattfand. (Apg 15).

 

Die Auseinandersetzungen waren damit aber nicht vorbei. Dies zeigt der antiochenische Streit (Gal. 2, 11 - 14). Nachdem Petrus in Antiochien ankam, übte er zunächst auch Tischgemeinschaft mit Nichtjuden, ließ dies aber sein, nachdem Leute um Jakobus in Antiochien eintrafen, die doch wieder die Einhaltung der jüdischen Speisegebote praktizierten, also Heidenchristen nicht zur Tischgemeinschaft zuließen, was Paulus als Heuchelei bezeichnete. Vermutlich konnte er sich in Antiochien nicht durchsetzen und sah sich zum Aufbruch "auf eigene Faust" veranlasst.

 

Die zweite Missionsreise führte ihn so in die Gegend der heutigen Stadt Ankara, dann etwa 50 in die mazedonischen Städte Philippi (es entsteht die erste Gemeinde auf europäischen Festland) und entlang der Via Egnatia weiter nach Thessalonich. Im Anschluss versuchte er vielleicht bereits den Aufbruch nach Rom, ging aber schließlich doch Richtung Süden über Athen nach Korinth, wo er sich 50 bis 52 aufhielt (Apg 15, 35 - 18, 22), bei Prisca und Aquila wohnte und den 1. Thessalonicherbrief (ältester P.-brief) schrieb. Entlang seiner Aufenhaltsroute entstehen christl. Gemeinden in Griechenland.

 

Von Prisca und Aquila (aus Rom) erfuhr er von einer bereits vorhandenen röm. Christengemeinde. So wuchs sein Wunsch, nach Rom und darüber hinaus auch nach Spanien zu gehen.

 

Er blieb ca. 1,5 Jahre in Korinth und zog dann mit Prisca und Aquila nach Ephesus und allein weiter nach Palästina und wieder nach Antiochien.

 

Die dritte Missionsreise wird auf die Jahre 53 bis 58 datiert und führte wieder nach Kleinasien mit einem Gefängnisaufenthalt in Ephesus, dann wieder durch Nordgriechenland (Makedonien) und nach Korinth (Apg 18, 23 - 21, 14).

 

Etwa 54 entsteht in Ephesus der 1. Korintherbrief.

Den 2. Korintherbrief schreibt er vermutlich 55/56 in Korinth o. Makedonien, als er die Korinther Gemeinde in Gefahr sieht, falschen Aposteln zu verfallen. 2 Kor 10-13 wird vermutlich in Ephesus geschrieben.

In Ephesus bekam er Probleme mit der röm. Obrigkeit und muss wohl auch Geißelungen in Synagogen ertragen. Er gerät in röm. Gefangenschaft, kann aber während dieser Zeit Briefe an die Philipper und seinen Brief an Philemon, vielleicht auch den Galaterbrief schreiben.  Er entgeht jedoch seinem Todesurteil.

 

Bei seinem letzten Aufenthalt In Korinth trifft er auf eine befriedete Gemeinde und schreibt 55/56 den Brief an die röm. Heidenchristengemeinde, die er noch nicht kennt.  So kündigt er sich den Christen in Rom an. Sein Werk in der östlichen Reichshälfte betrachtet er als vollendet.

Nun nimmt er Rom und ferner Spanien in den Blick, muss aber zuvor noch die Kollekte in Jerusalem überbringen, obwohl er befürchten muss, dort feindlich aufgenommen zu werden. aber die  Kollektenüberbringung ist für ihn vielleicht auch eine Aktion, die die Verbundenheit seiner Heidenmission mit der Urkirche ausdrückt. Ob sie angenommen wurde, gilt als nicht sicher.

Da sich Paulus nicht sicher war, ob er Jerusalem überlebt, entfaltet er im Römerbrief sein theologisches Testament, so dass selbst im Fall der Fälle alles gesagt ist. 

 

Seiner Befürchtung gemäß wurde er in Jerusalem von Diasporajuden angeklagt, er habe einen Nichtjuden mit in den Tempel gebracht: Darauf stand nach geltender Toradeutung die Todesstrafe, die die Römer bei solchen Vergehen zuließen. Anlass dieser Beschuldigung war eine Auslösungszeremonie für Nasiräer, die Paulus nach jüdischer Sitte bezahlen wollte, um den Juden seine Treue zum Judentum zu demonstrieren. Um ihn vor jüdischer Lynchjustiz zu schützen, griff die römische Wache ein und nahm ihn in wohl im Jahr 57 in haft.  (Apg 21, 27 - 40) Er wurde zunächst vor dem Hohen Rat im Tempel verhört, dann der Staatsgewalt in Cäsarea übergeben und dort durch den Prokurator Antonius Felix verhört und in Haft gehalten. Im Jahr 60 verhört ihn der neue Prokurator Porcius Festus. Paulus legte Berufung mit Bezug auf den Kaiser in Rom ein und erlebt die Überstellung in die Hauptstadt. Auf der Überfahrt 61 leidet er Schiffbruch, gelangt aber schließlich nach Rom (Apg 24 - 28, 16). Dort konnte er als Gefangener aber noch wirken und mindestens zwei Jahre lehren und predigen.

 

Möglicherweise wurde der Prozeß gegen ihn zu Ende geführt, dann wäre er etwa 61 als Märtyrer hingerichtet worden. Möglicherweise fand er aber auch 64 beim Brand Roms unter Kaiser Nero den Tod.

 

Seine Theologie ist vor allem im Römer- und Galaterbrief ausgeführt. Mit der Urgemeinde zusammen glaubte er, dass Jesus der in der jüdischen Tradition erwartete Messias sei.

Paulus aber rückte den auferstandenen Christus ins Zentrum seiner Verkündigung. Nach ihm hat Gott mit der Hingabe seines Sohnes auch die Heiden ins Heil aufgenommen. Als Heilsvoraussetzung betrachtete er nur den Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Christus. Damit bildet er den Grundstein für das Heidenchristentum, das nun kein rein jüdisches Christentum mehr bleibt.  Nach Paulus gibt es keine Erlösung durch die Einhaltung von Gesetzen, sondern allein der Glaube an die Rettungstat Christi führt zum Heil. Prägend für diese Theologie ist die unbedingte Naherwartung der Endzeit.  So ist sein Drang zur Mission zu erklären, denn diese Erlösungstat gilt allen, auch den Heiden. Dennoch lässt er das Primat des Judentums bestehen, indem er bis zuletzt die Verbindung mit der Urgemeine sucht.

 

Sein Drängen zur Heidenmission und sein theologisches Vermächtnis sind wesentliche Voraussetzungen für weitere Entwicklung des Christentums. Sein Einfluss ist vielfach spürbar, auch in der Bekenntnisschrift des Patrick, der sich stark mit Paulus identifiziert und immer wieder auf seine Texte bezug nimmt.